MALAMUT sprach mit Dr. Martin Hanauer, Manager Team & Talent Development der UnternehmerTUM GmbH in München zur Anwendung psychometrischer Testverfahren in der universitären Gründungsberatung.
MALAMUT: Herr Hanauer, bitte geben Sie uns doch zuerst einen kurzen Überblick über Ihre Tätigkeit bei der UnternehmerTUM.
Martin Hanauer: Ich bin verantwortlicher Manager der Bereiche Team und Talent Development. Das beinhaltet zum einen im Talent Development die Identifikation, Qualifizierung und Vernetzung von talentierten Gründungsinteressierten. Zum anderen kümmere ich mich auch konkret mit meinem Team um das Team Development von Start-ups. Das beginnt beim Teamaufbau, geht über klassische Teamentwicklung bis hin zur Unterstützung in Konfliktsituationen, wie z.B. einer Mediation.
MALAMUT: Herr Hanauer, welche der folgenden Faktoren zur Gründung sind für Sie am wichtigsten? Ein gutes Team, eine gute Geschäftsidee oder eine gesicherte Finanzierung?
Martin Hanauer: Aus unserer Erfahrung bei der UnternehmerTUM heraus würde ich das Team an oberster Stelle platzieren. Auch in unseren Seminaren leiten wir die Teams daraufhin an, dass eine Finanzierung immer noch mehr oder weniger improvisiert werden kann, das Team aber einen entscheidenden Faktor bildet und eine gesicherte Basis darstellt.
MALAMUT: Durch Ihre Tätigkeit kennen Sie die vielfältigen Herausforderungen von Unternehmensgründungen. Zu welchen Maßnahmen würden Sie greifen, wenn es innerhalb eines Gründerteams vermehrt zu Konflikten kommt?
Martin Hanauer: Der erste Schritt liegt darin, mit dem Team gemeinsam zu kommunizieren, das entsprechende Problem zu identifizieren und anschließend zu analysieren. Ich möchte herausfinden, was genau vorliegt und was der Auslöser für die jeweilige Konfliktsituation ist. Im nächsten Schritt gilt es dann zu prüfen, welche Maßnahmen nötig und angemessen sind, um das Team voranzubringen. Das kann beispielsweise ein Coaching sein. Ebenso eine Supervision, in der mit anderen Teams Problemlösungen erarbeitet werden können.
MALAMUT: Haben Sie in der Vergangenheit auf psychometrische Tests zurückgegriffen?
Martin Hanauer: In psychometrischen Testverfahren werden Persönlichkeitseigenschaften mit einer Normstichprobe verglichen. Wir haben anfangs viel mit persönlichen Gesprächen und mit Fragebögen zur Selbstreflexion gearbeitet. Das heißt, dass wir beispielsweise das Team zu seinen Stärken oder Defiziten befragt und daraus Maßnahmen zur Teamentwicklung abgeleitet haben. Erst später wurde zur Vergleichbarkeit und Bewältigung der vielen Anfragen, ein standardisiertes Verfahren eingesetzt.
MALAMUT: Also haben beratende Gespräche grundsätzlich einen sehr hohen Stellenwert bei Gründerteams?
Martin Hanauer: Exakt. Das persönliche Gespräch ist die Basis und wird zum Beispiel über unsere Gründungsberatung geführt.
MALAMUT: Seit Ende des letzten Jahres setzen Sie den MALAMUT Profiler in der Beratung Ihrer Gründerteams ein. Welche Erfahrungen konnten Sie mit dem Testverfahren bislang machen?
Martin Hanauer: Wir machen sehr gute Erfahrungen mit dem Testverfahren. Wir ermöglichen den Teams in Workshops ihre Rollen und Aufgaben der Zusammenarbeit systematisch zu reflektieren. Die meisten machen sich zum ersten Mal im Gründungsprozess konkret Gedanken über ihre Teamstruktur. Sie erkennen die Bedeutung und Wichtigkeit einer klaren Struktur der Zusammenarbeit. Zudem werden nicht vergebene Rollen aufgedeckt und führen so schneller zu einer frühzeitigen Teamergänzung.
MALAMUT: Sie haben angedeutet, dass für solche Testverfahren auf Seiten des Teams die Akzeptanz nicht unendlich hoch ist. Welche konkreten Vor- und Nachteile von psychometrischen Testverfahren sehen Sie?
Martin Hanauer: Ich sehe die Vorteile vor allem darin, dass man zusätzliche Eindrücke und Perspektiven gewinnt. Solche Verfahren ermöglichen auch eine Distanz zu dem Geschehen: Wenn wir das z.B. auf einen Konflikt beziehen, können wir mit einem Testverfahren einen Selbst- und Fremdbildabgleich unter den Teammitgliedern ermöglichen. So entsteht ein Spiegelbild der Teamsituation. Wenn Einzelne jedoch Angst haben, sich im Team zu öffnen und anonym bleiben wollen, kann dies ein Hemmnis sein, was den Austausch der Teammitglieder beeinträchtigt. Ein Problem bei psychometrischen Testverfahren ist, dass wir nicht immer das messen können, was wir gerne messen würden und sollten. Fehlerhafte Werte können durch das Phänomen der „sozialen Erwünschtheit“ entstehen: Einzelne Teammitglieder stellen sich selbst, aber auch andere besser dar, als es der Realität entspricht. Das kommt relativ oft bei der Beantwortung kritischer Fragen vor, häufig aus der Angst heraus, gegenüber den anderen Teammitgliedern schlecht dazustehen.
MALAMUT: Also raten Sie zu einer gesunden Objektivität bei der Interpretation solcher Testergebnisse?
Martin Hanauer: Ja, genau. Es sollte immer eine neutrale moderierende Person dabei sein. Das Team sollte nie alleine gelassen werden mit den Testergebnissen, sondern immer unterstützt und begleitet werden. So erhält es auch ein Feedback zu den Ergebnissen und deren Bedeutung. Ich persönlich würde deswegen die Einzelgespräche voranstellen, da es so leichter ist, die Ergebnisse in der Gruppe zu interpretieren und zu besprechen.
MALAMUT: Sehen Sie Potenzial in Tests, die ein ganzes Team analysieren, also Tests, die das Team in seiner Gesamtheit berücksichtigen?
Martin Hanauer: Ja, auf jeden Fall! Wenn Ergebnisse nicht nur auf bestimmte Teammitglieder zurückgeführt werden, sondern das ganze Team betrachtet wird. Teile dieses Gesamtergebnisses können dann auch in Einzelgesprächen verwendet werden – die Bereitschaft der entsprechenden Person vorausgesetzt.
MALAMUT: Kabst und Wehner (2009) unterstreichen, dass psychometrische Tests in anderen Ländern weit mehr akzeptiert und geläufig sind. Ist die Skepsis gegenüber solchen Tests eine typisch deutsche Eigenschaft?
Martin Hanauer: Ja. Grundsätzlich kommt es darauf an, aus welchen Bereichen die Personen kommen und ob sie vorher schon einmal Erfahrungen mit solchen Tests gemacht haben. Meist besteht eine große Angst und Hemmung davor, dass Werte erhoben werden, die gegen jemanden verwendet werden könnten. Viele blocken im Vorfeld ab, indem sie die Sinnhaftigkeit solcher Verfahren stark anzweifeln. Aus meiner Erfahrung heraus gesprochen ist das kulturell bedingt. Beispielsweise war jemand aus Skandinavien diesen Tests gegenüber bei uns weitaus aufgeschlossener.
MALAMUT: Besteht in Deutschland Nachholbedarf?
Martin Hanauer: Ja. Es stellt sich nur die Frage, wie man sich vorbereitet. Ich rate immer zum Auszuprobieren und Experimentieren, nur so können sich Personen ihre eigene Meinung bilden. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es Teams, die psychometrische Verfahren ausprobieren, im zweiten Schritt oft leichter fällt, diese fest innerhalb der Teamarbeit zu verankern und im Unternehmen zu etablieren.
MALAMUT: Herr Hanauer, Sie sagten vorhin, dass das Team den wichtigsten Erfolgsfaktor einer Gründung bildet. Diese Meinung teilt auch ein Großteil des Fachpersonals im Bereich Unternehmensgründung. Fragt man speziell nach dem persönlichen Indikator der Qualität eines Gründungsteams antworten die meisten mit „Bauchgefühl“.
Martin Hanauer: Ich denke das Bauchgefühl ist immer so eine Sache. Wenn das Team den Eindruck vermittelt, dass es sich gut versteht ist das eine Seite. Die andere ist die Rollen- und Aufgabenverteilung. Das heißt, das Team muss so aufgestellt sein, dass sich jeder in seinem Aufgabenbereich gut aufgehoben fühlt und dieser sich auch mit seinen Stärken deckt. Ein Gefühl kann also eine Richtschnur sein.
MALAMUT: Also kommt man wieder zu dem Punkt, dass eine objektive Einschätzung durchaus hilfreich ist?
Martin Hanauer: Das würde ich definitiv empfehlen. Die Zusammenstellung von Teams erfolgt ja häufig situationsbedingt, also z.B. durch Freundschaften. Daher ist es sinnvoll, diese subjektiven Eindrücke und Komponenten zu objektivieren. Einen Test kann man dann dem Eindruck gegenüber stellen und schauen: Okay, das ist eure Einschätzung, was sagt der Test? So kann man eine Basis für ein Gespräch finden, um festzustellen, ob das Team zusammenpasst oder gegebenenfalls Verstärkung dazu geholt werden sollte. Das ist ein Aspekt, den Teams oft zu spät erkennen.
MALAMUT: Herr Hanauer, wir danken Ihnen für das Interview.